olfs Erzählungen

Auf meinem Weg nach Ulmendorf hörte ich befremdliche Dinge. Die Dörfler fragten sich, ob denn alles erlaubt sei. Die Debatte bewegte mich sehr, zumal es ja auch meine Lebenseinstellung betraf. Denn wenn alles richtig ist, wie es ist, dann ist ja auch die schlimmste Tat  richtig, da sie geschehen ist. Das Ergebnis von Handlungen mag mir nicht gefallen—geschehen ist jedoch geschehen. Der Sinn mag sich mir nicht erschließen. Meine Erfahrungen sagen mir jedoch, dass nichts „sinnlos“ geschieht. Alles hat seinen Platz, alles hat seinen Sinn. Wenn ich zurückblicke, hat mich gerade die Zeit im Kloster gelehrt, hinter den Schein zu schauen. Damals war ich der Meinung, mein Leben sei zu Ende. Heute weiß ich, es war erst sein Anfang. Und wäre Wolf nicht ausgesetzt worden, hätte ich ihn niemals als Freund gewonnen.
Doch hier ging es um Kinder und darum, ob denn die „Erwachsenen“ alles mit den Kindern machen dürfen, weil es eben noch Kinder sind. Der Gedanke an die Kinder ließ mich nicht mehr los, ich wollte Kindern eine Freude bereiten. Ich machte mich schleunigst auf, um mich mit Wolf zu bereden. Wolf meinte, er könne ja von sich erzählen. Aber ob die Kinder das wollen?
„Frag sie doch, Alter“,  meinte Wolf. Und so geschah es nach unserer Frage, dass uns die Kinder sagten:
„Eine Geschichte von Wolf? Ja, wir würden uns sehr über seine Geschichten freuen.“
Ich wusste nicht, was ich mir damit aufbürdete. Für Wolf die Hand zu sein, die Geschichten niederschreibt, das ist wirklich Arbeit. Aber zum einen verstehe ich ihn—ich habe ja selbst auch einmal angefangen—zum anderen ist es ja für die Kinder. Während Wolf mir seine Geschichte angab, befand sich das Dorf in Vorbereitung für die Geschichte.

„Ich gehe schon mal Zwiebelkuchen backen“, rief mir eine mollige Frau zu und ging ebenso schnell wie anmutig zum Backhaus.  
Friedo, ein treuer Zuhörer, rückte indessen seinen Strohballen am Lagerfeuer zurecht. In den letzten Wochen hatte er eine genau seinem Hinterteil entsprechend geformte Mulde in ihn hineingesessen, auf die er sich allabendlich freute. Nun war dies sein eigener „Sessel“ am Lagerfeuer, obwohl er, wie er mir berichtete, schon einige Male tatsächlich überlegt hatte, seinen Lieblingsohrensessel von zuhause eines Abends mitzubringen.

Friedo setzte sich auf seinen Strohballen, stopfte sich eine Pfeife und spielte, seine Sitzmulde genießend, mit dem Fuß auf dem Boden herum. Von Zeit zu Zeit ergab sich ein Muster, das er einen Moment lang anblickte, um dann unbeirrt dem Fuß den Boden für die unbewussten Schöpfungen zu überlassen.
„Wird heute erneut das Feuer der Herzen uns wärmen, das Zauber alleine nicht entfachen konnte“, fragte er sich laut, um darauf sofort wieder gedankenverloren weitere Muster in den Staub zu zeichnen.
„Ich bringe doch noch meinen Ohrensessel ans Feuer“, rief er einem verdutzten Dörfler zu.
So verbrachte eben jeder die Zeit des Wartens auf seine Weise. Doch endlich! Endlich ist Wolf zufrieden, und ich darf seine Geschichte am Feuer vorlesen.

Wie ich zum Alten kam