Auf dem Marktplatz

„Naaa, du Hexlein, du?“
„Der Alte! Hat der Wald dich endlich wieder ausgespuckt? Kannst wohl der Sommersonnenwende nicht fernbleiben!“
„Ja und nein, Liesel, ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, meine alte Freundin wieder zu treffen. Komm, lass dich in den Arm nehmen!“
Liesel und ich fielen uns in die Arme, begleitet durch Händeklatschen, Gelächter und Gepfeife der Zuschauer unseres Wiedersehens.
„Trau schau wem, Liesel!“
„Heee Alter, hast wohl eine Liebste!“
„Alter schützt vor Torheit nicht!“
Lachend nahm ich einen der Spötter in den Arm, der wiederum nach einem anderen griff und im Handumdrehen waren wir ein Knäuel sich Umarmender. Das Wasser schoss mir aus den Augen, der Bauch tat weh. So viel lache ich selten.

Liesel und ich wurden uns schnell einig. Ich gab ihr die Gaben des Waldes, und sie gab mir dafür, was sie konnte. Um den Umhang machte ich mir keine Gedanken. Er würde mich finden zu dem Preis, den ich geben konnte. Der alte Weg sorgt für mich: „Gib, was es dir wert ist und was du kannst.“
Befreit von der Furcht um meine verderblichen Gaben konnte ich nun die Vorfreude auf das Fest am Abend voll in mir fließen lassen. Oder war es die Geschäftigkeit der vielen Menschen um mich herum, die mir das Herzklopfen eines jungen Burschen bei seiner ersten Verabredung machte?
Es ist mir gleichgültig! Hauptsache das Herz schlägt! Ich will diesen Tag voll auskosten, er ist schön, er ist heute, er ist jetzt. Wo ist der Wasserverkäufer?
„Wo ist der Wasserverkäufer?“
„Die Krüge füllen, Alter. Hier, nimm einen Schluck Wein!“
Die Sonne stand hoch am Himmel, als ich den ersten seligen Schluck nahm.
„Danke! Dein Wein ist gut, aber für mehr ist es noch zu früh am Tag für mich. Ich komm wieder gen Abend.“

Gemächlich ging ich von Stand zu Stand, schaute mir die feilgebotenen Waren an, schaute den Kesselflickern zu, erfreute mich am Feilschen der Scherenschleifer, bewunderte die kunstvollen Stickereien der Klosterdamen, zerbrach beinahe einen der Tonkrüge, da dieser auf einem umgedrehten Teller lag, den ich zum Betrachten in die Hand nahm. Der Krug, seiner Stütze beraubt, fing an auf dem etwas geneigten Tisch zu rollen. Gerade noch konnte ich ihn auffangen. Ein leicht missbilligender Blick traf meine sich entschuldigenden Augen, ein „Ist gut, Alter. Ist ja nichts geschehen“, entließ mich aus der Schuld.

Es war Markt, Markt an einem herrlichen Tag. Ich ging in den Schatten, wischte mir über das Gesicht mit den flachen Händen und nahm gerne das Tuch, das mir von einer freundlichen Hand geboten wurde.
„Wir sind uns schon begegnet, Alter. Ich habe dich sofort wiedererkannt!“

Der Seelenbruder