Warum Kiefer und Birke zusammen wohnen

Als Waldkönig schon viele tausend Jahre regierte, da kamen einmal alle Waldfürsten und Waldprinzen und Waldgrafen zu ihm und sagten: „Herr König, gebt uns ein Stück Land in Eurem Reiche, auf dem wir uns anbauen können; es ist gar eng bei uns, und unsere Brüder und Schwestern und Anverwandten haben keinen Platz mehr.“ „Gut,“ sagte der König, „geht hin und sucht euch in meinem Reiche Land aus, wieviel ihr wollt und wo es euch gefällt. Aber baut es schön an, und wer das am schönsten macht, der soll die schönste Prinzessin zur Frau kriegen.“

Die schönste Prinzessin im ganzen Lande aber war Junger Birke; die war gar zart und zierlich und schlank im Wuchs, hatte ein weißseidenes Kleid an und einen lichtgrünen feinen Schleier darüber und war behängt mit lauter gelben und braunen Anhängerchen, die aussahen wie ganz klimperkleine niedliche Lämmerschwänzchen. Und alle Waldprinzen und Waldfürsten und Waldgrafen hätten sie gar zu gern zur Frau gehabt.

Darum gefiel ihnen auch der Vorschlag des Waldkönigs, und sie gingen aus und suchten sich ihr Land und bauten sich dort an.

Wie sie nun damit fertig waren, nahm Waldkönig Prinzeß Birke und reiste mit ihr durchs ganze Land, zu sehen, wers am besten gemacht hätte.

Da kamen sie in eine schöne Stadt mit hohen Häusern und langen geraden Straßen. Da hatte der stolze Fürst Kastanie sich angesiedelt, und alle seine Verwandten standen in Reih und Glied an den Straßen entlang, wie die Soldaten des Kaisers, der in der Stadt wohnte und gerade Parade hielt. Das wäre so nach Waldkönigs Sinn gewesen; aber Prinzeß Birke schüttelte ihr Köpfchen und ging weiter.

Dann kamen sie auf ein hübsches Dorf; da hatte Fürst Lindenblatt sich seine Wohnung gebaut; ei, wars da freundlich! Kleine niedrige Bauernhäuser, und vor jedem ein schöner schattiger Lindenbaum, um dessen Blüten die Bienchen summten. Waldkönig schmunzelte zufrieden aber Prinzeß Birke schüttelte ihr Köpfchen und ging weiter.

So zogen sie durchs ganze Reich; sie kamen zu steilen Bergen, an denen sich Prinz Tannenzapfen sein Heim gebaut hatte, und an sanfte Hänge, wo Prinz Lärchenstamm wohnte, in welliges Hügelgelände mit fettem Boden, silbernen Strömen, ragenden Burgen, dem Gebiet des Herzogs von Eichwald und an das blaue schöne Meer, an dessen Ufern Fürst Buchecker sein wundervolles, schön  gepflegtes Land hatte; sie kamen in sumpfige Niederungen, wo Prinz Erle wohnte, und in saftige Wiesengründe, wo an schmalen Bächen und Gräben Graf Salweide seine neue Heimat gefunden hatte; sie kamen an schön gepflegte Chausseen, an denen die beiden Grafen Ahorn und Esche sich und ihre Verwandten rechts und links aufgestellt hatten, um die hohen Herrschaften feierlich zu empfangen. Und Waldkönig schien sehr befriedigt mit dem was die Söhne seines Reiches geschaffen hatten; er war stolz darauf, daß all das Land nun so schön bestellt und bebaut war. Aber jedesmal, wenn er Prinzeß Birke fragte, ob es ihr nicht gefiele, sagte sie: „herr König, laßt uns erst alles besehen, dann will ich sagen, welcher von allen Fürsten und Prinzen und Grafen es am besten gemacht hat.“

Als sie nun schon fast alles gesehen hatte, fragte Waldkönig: „Nun haben wir fast das ganze Reich bereist es ist nur noch ein Stück übrig, aber da wollen wir nur gar nicht erst hinreisen; denn da ist doch nichts los lauter Sand und Heide, da wirds dir schon gar nicht gefallen.“

„Laßt uns auch dahin reisen,“ sagte Prinzeß Birke. So machten sie sich auf und kamen in das Gebiet der sandigen Heide.

Aber wie waren sie erstaunt, als sie dahin kamen! Da war das Land bedeckt mit einem schönen grünen Wald; dunkelblaugrün schimmerten seine Kronen und rotgolden seine Stämme; kleine Seen mit ihren blanken Spiegeln blitzten dazwischen auf, und über den grauen und gelben Sand breitete blühendes Heidekraut einen zarten bläulich-roten Schein, und um das ganze Land wehte herbe, kräftige, würzige Luft.

„Wer hat das fertig gebracht?“ fragte erstaunt der Waldkönig. Da kam im braunen Kittel mit struppigem schwarzem Haar und Bart ein einfacher Arbeiter. „Verzeiht, Herr König,“ sagte er, „von Euren Fürsten und Prinzen und Grafen wollte niemand das Stück Land haben, denn es war ihnen zu arm und zu schlecht. Da bat ich sie, sie möchten mirs lassen, denn ich habe eine große Sippe, und wir sind alle arme Leute und zufrieden, wenn wir ein bißchen Sand und Wasser zum leben haben. Da haben sie mirs aus Gnade und Barmherzigkeit gelassen, und ich habe mich mit meinen Leuten daran gemacht und es in Ordnung gebracht. Erlaubt mir, daß ich hier wohnen bleiben darf.“

Da trat Prinzeß Birke zum Waldkönig und sprach: „Herr König, dieser arme Mann hat mehr geleistet als Eure Großen alle. Gebt mich ihm zur Frau.“ „Du hast recht,“ sagte der König. „Aber er ist doch ein armer Mann und du bist eine Prinzessin.“ „Das tut nichts, er hat doch aus einer Sandwüste ein Paradies gemacht.“

Da wandte sich der König an den Arbeiter: „Wie heißt Er, guter Freund? Fragte er ihn freundlich.

„Ich heiße Föhre.“

„Gut. Er soll von nun an in den Grafenstand erhoben werden und Graf Kiefer heißen und Prinzessin Birke soll seine Frau sein.

Seitdem leben Kiefer und Birke zusammen und führen ein glückliches Leben miteinander, wenn sie auch nur im Sande wohnen.