Woher der Fliegenpilz seine weißen Flecken hat

Früher hatten die kleinen Pilzkinderchen keine Hütchen  auf dem Kopf; da wurden sie immer pitsche-patsche-naß, wenn sie im Regen in den Wald liefen. Und das taten sie doch so gern; denn da war das Moos so schön grün und frisch und die Pfützchen im Wald so schön tief, daß sie tüchtig drin herumplantschen konnten, und Pilzmütterchen hatte gesagt, wenn man in den Maienregen liefe, dann würde man groß, und sie wollten doch auch gern groß werden. Aber einmal hatte es so fürchterlich geregnet, und sie waren so durchnäßt, daß sie alle den Schnupfen kriegten und ins Bettchen mußten. Da beschloß Pilzmütterchen, ihren Kinderchen zu Weihnachten schöne Hütchen zu schenken. Und richtig, wie Weihnachten kam, fanden sie alle auf ihren Plätzen Hütchen. Ei, wie sie sich da freuten und stolz waren! Champignon hatte eine weiße Kapuze mit rosaseidenem Futter bekommen, Musseron ein kleines flaches graubraunes Mützchen. Baumschwamm setzte sich gleich seine breite Schirmmütze auf und lief zu seinem Freund Weidenstrunk, um sie ihm zu zeigen. Halimasch stülpte sich seine runde, braune Lederkappe auf und rannte, was er konnte, hinaus auf die Chaussee, um sie dort von allen, die vorübergingen, bewundern zu lassen. Reitzker schmückte sich mit einem flachen breiten Hut mit Fransen und gelblichem gefältelten Futter, und Steinpilz stolzierte gravitätisch mit seinem glänzenden braunen Helm einher.

Nur einer war nicht zufrieden mit seinem Hut, das war Monsieur Fliegenpilz. Das war überhaupt so ein Schlingel, der immer in giftigem Neid sich erbosen konnte, wenn seine Geschwister Spielzeug oder andere Sachen bekamen, die er nicht besaß. Der hatte einen schönen weißen Hut bekommen, aber ihm war er nicht schön genug; ja Pfifferling, der kleine lustige Schelm mit seinem keck aufgekrempten Hütchen oder Morchel mit seiner schwarzen Tscherkessenmütze, die hatten es viel schöner. Wenn er doch auch einen bunten Hut hätte. Da kam ihm ein guter Einfall. Dort im Walde wohnte ja sein Freund, der Zwerg Klecksel, der jedes Jahr im Frühling all die Blumen und im Herbst all die Blätter im Walde bunt anzustreichen hatte. Zu dem wollte er gehen und sich seinen Hut färben lassen.

Und richtig, heimlich schlüpfte er fort und suchte Klecksel auf. Leider traf er ihn nicht zu Hause. Aber was schadete es! Da standen ja seine bunten Farbentöpfe gelb und grün und braun und lila und rot! Ja rot, das wäre fein! Einen roten Hut hatte kein anderes Pilzkind. Also, was machte er? Flugs den Hut vom Kopfe und hineingetunkt in den roten Farbtopf und dann flink wieder nach Hause!

Als er nach Hause kam, wollte gerade Pilzmütterchen mit ihren Kinderlein spazieren gehen. Natürlich, da mußte er mit. Stolz setzte er seinen roten Hut auf und alle sagten „Ah!“ und „Oh!“, als sie den sahen. Nur Pilzmütterchen sagte gar nichts, aber sie dachte in ihrem Herzen, daß das doch gar nicht schön von Fliegenpilz sei.

Kaum waren sie ein halbes Stündchen gegangen, da fing es an zu regnen. Hei, wie sich die Pilzkinderchen freuten, daß sie ihre Hütchen auf den Köpfchen hatten und nun nicht naß wurden! Aber sie kehrten doch wieder lieber um. Zu Hause angekommen, setzten sie ihre Hüte ab, um sie an den Nagel zu hängen zum Trocknen. Auch Fliegenpilz nahm seinen Hut herunter aber, oh weh, wie sah der aus! Die Farbe war noch nicht trocken gewesen, als er ihn in der Geschwindigkeit aufgesetzt hatte, und überall, wo ein Regentröpflein draufgefallen war, war ein weißer Fleck! Als er das sah, fing er an bitterlich zu weinen; so ärgerte er sich. Dann warf er wütend seinen verdorbenen Hut in die Ecke und wollte sich hinausschleichen; denn eigentlich schämte er sich vor den anderen Pilzkinderchen. Aber Pilzmütterchen sagte: „Siehst du, wärst du hübsch zufrieden gewesen mit deinem Hute, so hättest du nun einen schönen, sauberen, weißen Hut; nun mußt du immer den roten Hut mit den weißen Flecken tragen!“