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Warum bei den Eisenbahnschienen im Walde Krezukraut und Königskerzen stehen

Prinzeßchen Waldtraut, des Waldkönigs und der Waldkönigin Töchterlein, war ein munteres, lustiges Ding,
und es war seine größte Freude, mit all den Elfenkinderchen im Walde zu spielen.
Da kamen sie denn im Mondenschein denn die kleinen Elfenkinderchen und Waldgeisterlein schlafen am Tage und wachen des
Nachts auf einer schönen Wiese zusammen; ihre weißen Röckchen und ihre zarten Schleier schimmerten silbern im
Wiesengrunde, wenn sie im Ringelreihen fröhlich umhertanzten, und der Wind, der des Herrn Waldkönigs Hofkapellmeister
ist, spielte in den Tannenzweigen seine Melodien dazu.
Das war ein gar fröhliches Treiben. Aber einmal geschah etwas sehr Schlimmes. Wie die Kinderchen beim fröhlichen
Spiel waren, kam auf einmal aus dem Walde der böse Riese Scheftor, der hoch oben auf dem Bärenberge seine Burg hatte,
durch den Wald getappt; der war auf der Jagd und wollte sich einen Braten für den anderen Tag schießen. Als er aus
dem Walde trat auf die Wiese und die Kinderchen ihn sahen, da bekamen sie es mit der Angst und rannten, was sie konnten, davon,
auch Prinzeßchen Waldtraut. Sie rannten durch den Wald hindurch; als sie aber an der anderen Seite wieder hinauskamen, da
lagen da lange, glatte, eiserne Stangen, die die Menschen da hingelegt hatten, und auf den glänzenden glatten Eisenstangen
kam ein großer Wagen herangerollt, der hatte große, feurige Augen und fauchte und schnaubte wie ein Ungeheuer. Alle
Kinderchen schrien laut vor Angst und rannten davon, und auch Waldtrautchen wollte dem Ungetüm entfliehen, da stolperte es
und glitt auf einer der Eisenstangen aus, und wenn es nicht noch schnell wieder aufgesprungen wäre, dann hätte der
Wagen mit den Feueraugen es beinahe totgefahren.
Der schreckliche Wagen war vorüber gefaucht aber als Waldtraut aufstehen wollte, da tat ihm sein Füßchen so
weh, daß es bitterlich zu weinen anfing es hatte sich sein Füßchen gebrochen. Da machten seine Spielkameraden
aus Tannennadeln eine Tragbahre und banden sie mit Spinnenfäden zusammen und trugen Waldtraut ins
Königsschloß.
Da war großes Weinen und Klagen, denn Waldtraut lag auf der Trage so weiß und still, als wäre sie tot.
Schnell kam der Herr Doktor nun, es ging ja noch; es war nur das Füßchen gebrochen, das konnte wieder heilen. Aber
Waldtraut mußte sieben Wochen ganz still in ihrem Moosbettchen liegen.
Als es nun wieder herumspringen konnte, wollte es auch wieder auf die Wiese zu seinen Spielgefährten. Aber der
König hatte Sorge, es könnte im Dunkeln wieder über die bösen Eisenschienen stolpern.
Da rief er seine Räte zusammen und beriet mit ihnen, was wohl zu machen wäre, damit nicht wieder so ein
Unglück geschähe. Und da kamen sie überein, sie müßten dafür sorgen, daß es dort immer
hübsch hell wäre.
Da befahl der König seine zwei getreusten Diener zu sich und gebot ihnen, sie sollten immer, wenn Prinzeßchen
spielen ging, mit ihr gehen und dann bei den eisernen Stangen leuchten, damit niemand ausglitte.
Und nun stehen da immer Kreuzkraut mit seinen vielen leuchtend gelben Sternchen und Königskerze mit ihren großen
hellen Lampen und halten Wacht, daß Prinzeßchen Waldtraut sich nicht wieder ihr Füßchen brechen
kann.
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