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Die Freundschaftskerze
In einer fernen Seeräuberburg, lebten einmal zwei Freunde, die einander so sehr liebten, daß sie alles gemeinsam
taten. Sie wurden verachtet, mißhandelt und mußten alle Arbeit tun, die den Räubern nicht gefiel. Mit der Zeit
wuchs in ihnen der Wunsch, einen Ort zu suchen, wo Liebe mehr zählt als Macht. So entwendeten sie ein Boot und flohen
über das Meer. In einem fernen Hafen legten sie an und zogen ins Landesinnere, zu einem kleinen, friedlichen, abgelegenen
Dorf, mit freundlichen, hilfsbereiten Menschen.
Dort versteckten sie sich in einer Scheune, zündeten eine Kerze an und beratschlagten.
"Die Seeräuber suchen zwei Freunde, die nie getrennt sein mögen. Blieben wir zusammen, fänden und töteten
sie uns", sagte der eine.
"Freundschaft ist zu wertvoll, um sie wegzuwerfen wie ein altes Spielzeug." entgegnete der andere.
Nach einigem Überlegen beschlossen sie:
"Laß unsere Freundschaft wie diese Kerze sein, die nur wir beide sehen. Wir wollen scheinen wie Fremde, die einander
nicht kennen noch verstehen."
Lange noch beobachteten die beiden die kleine, helle, warme Flamme der Kerze, die im Verborgenen brannte. Und sie
fühlten sich warm und geborgen in ihrer Freundschaft.
Im Dorf suchten beide eine Anstellung. Sie arbeiteten bei verschiedenen Herrn und kamen vor anderen nicht zusammen. Gab es
zwei Meinungen oder zwei Mannschaften, schlossen die Freunde sich verschiedenen Seiten an. Sieben Jahre vergingen. Alle
glaubten, die Freunde seien einander feind. Sie lernten, miteinander zu diskutieren und kämpfen, Gegner zu sein. Jedoch
achteten sie darauf, einander nicht wirklich zu verletzen, denn sie spürten die Wärme der Freundschaftskerze in ihren
Herzen.
Dennoch wurden sie gefunden. Die Menschen des Dorfes hätten die Räuber leicht vertreiben können. Doch da sie
nicht einig waren, wie sie das tun wollten, mußten die Freunde fliehen. Lange brauchten sie, um ihre Verfolger
abzuschütteln. Sie suchten ein neues, friedliches Dorf, trafen sich wieder in einer abgelegenen Scheune und zündeten
eine Kerze an.
"Wir wußten, daß wir Freunde sind", sagte der eine, "aber durch unseren ständigen Streit brachten wir dem
Dorf Unfrieden, in dem wir lebten."
"Das ist wahr", sagte der andere, "diesmal sagen wir, daß wir einander mögen und achten, obwohl wir verschiedener
Meinung sind."
Lange noch betrachteten die Freunde schweigend die Kerze, die im verborgenen brannte, und ihnen ein Gefühl von Wärme
und Sicherheit schenkte, ehe sie aufbrachen und unten im Dorf jeder eine Anstellung suchten.
Es war fast wie im ersten Dorf. Die Freunde schlugen sich zu gegnerischen Parteien und fanden immer Wege, nicht einig sein
zu müssen. Und doch änderte sich alles. Wannimmer einer des anderen Argumente zu widerlegen trachtete, lobte er ihn
zuvor für die gute Beweisführung und dankte, daß dieses Thema zur Sprache gebracht worden war. Dann erst begann
er seinen Standpunkt zu vertreten. Weil alle Menschen Lob lieben, hörten ihm seine Gegner zu. Sie lernten nach und nach,
die fremde Meinung zu verstehen oder wenigstens zu achten. Oft führte das zu Einigung. Es ist keinem Menschen gegeben, die
ganze Wahrheit erkennen zu können. So war es manchmal unmöglich zu entscheiden, wer recht hatte. Deshalb lernten die
Menschen des Dorfes, verschiedener Meinung zu sein und einander doch zu achten und lieben.
Jahre später fanden die Seeräuber das Dorf. Sie versuchten Unfrieden zu stiften, um die beiden Freunde ungehindert
entführen zu können. Doch so sehr sie sich auch mühten, die Menschen des Dorfes blieben einander wohlgesonnen,
obwohl jeder eine andere Meinung vertrat. Da mußten die Seeräuber unverrichteter Dinge gehen.
Solltest du einmal in jenes Dorf kommen und heimlich in eine der Scheunen dort schauen, so wirst du bestimmt eine der
vielen, verborgenen Freundschaftskerzen brennen sehen.
Ist es nicht Zeit, daß wir auch eine solche Kerze zwischen uns anzünden?
- Author ist mir unbekannt - Falls jemand die Geschichte und dessen Author kennt, bitte ich um eine e-mail
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