Vertrauen

"Mit Staunen nehm ich die neuen Kräfte wahr, die aus dem Vertrauen wachsen."

Dieser Spruch auf einer Postkarte begleitet mich seit meiner ersten Reiki Einweihung. Ich weiß nicht, weshalb Otto und Felicitas Betz dies einst sagten. Ich weiß jedoch, daß dies auf meinen Weg zum Reiki Meister und Lehrer zutraf und heute noch immer zutrifft. Ich staune über jeden Tag mit großen Kinderaugen und bedanke mich. Bei wem? Bei mir selbst ! Dass ich, die Frau, die bis Mitte 30 mehrfach von einem Ende der Gefühlsskala zum anderen Ende gesprungen ist, unter Auslassung der Mitte, wohlbemerkt!, daß ich heute die Fülle des Augenblicks genießen kann.

Es ist noch gar nicht so lange her, daß ich damit angefangen habe. Der Prozess begann Mitte '98 oder noch früher, eigentlich '96 und ganz eigentlich schon in meinen Zwanzigern, zwischen 1970 - '77, doch da hörte ich noch nicht zu. Ich hörte auch in den 90igern nicht zu, habe meinem hüpfenden Herzen gesagt, es solle doch "bittschön" seinen Rythmus wiederfinden. Das tat es auch brav, weil es meinte, ich sei einsichtig. Für kurze Zeit war ich das auch, dann habe ich es wieder vergessen. Bis es sich '98 wieder meldete: "Rosie, nun reicht es aber. Ich bin auch noch da. Höööörst du mich oder muß ich kurz mal wieder stolpern?"

Ich packte, bildlich gesprochen, mein Bündel und machte mich auf den schwersten Weg, den ich jemals gegangen bin: Ich lernte mich  selbst zu lieben. "Was ist denn daran so schwierig?" magst du dich fragen. Dann setz dich bitte hin, nimm ein Blatt Papier und schreib dir auf, was du bist. Beginne jeden Satz mit ICH BIN ...., und schau mal nach, was dabei rauskommt. Ich zumindest habe "Rotz und Wasser" geheult.

"Ich bin glücklich" stand da nicht. Höchstens "Ich bin manchmal glücklich." Oder "Ich bin glücklich mit Bernd." Oder "Ich bin glücklich, wenn..." Aber nicht einfach der Satz: "Ich bin glücklich". Den brachte ich nicht hin. Es brauchte ständig eine Erweiterung dieses Satzes durch eine Sache, einen Menschen, ein Tier, eben durch etwas anderes oder zusätzliches als mich selbst. Weshalb?

Weil ich nicht wußte, wer ich bin. Bereitwillig nahm ich deshalb die Aussage anderer über mich an. "Rosie du bist..."

Wenn die drei Punkte eine schöne Aussage waren, dann tat mir das ja so gut. Wenn sie keine schöne Aussage waren, dann tat mir das weh. Aber weshalb?

Weil ich den anderen Menschen glaubte. Weil ich ihre Meinung über mich als "wahr" hingenommen habe. Weil ich mich als hässliches kleines Mädchen sah, daß man ja nicht lieben konnte. Weil ich glaubte, NULL Eigenschaften zu haben, die mich "liebenswert" machen. Weil ich mich wertlos fühlte, kein Vertrauen hatte in mich, kein Selbst-Vertrauen. Armes, bedauernswertes kleines ich.

Nein, ich verhöhne niemanden, der sich so fühlt. Ich weiss, wie sich das anfühlt. Und welches Brimborium man erfinden kann, um von genau dem abzulenken. Ja nicht hinschauen, es könnte weh tun. Aber was war nun eigentlich der Weg für mich? Wie lernte ich "ich" lieben?

Zum Beispiel durch Reiki, Celestine, Byron Katie...Viele Methoden, die ich ausprobierte, Bücher die ich las. Oder zum Beispiel durch Hinschauen.

Das Hinschauen auf das, was weh tut. Als ich wußte, was weh tut, konnte ich mich von dem Verabschieden. Global verabschieden, nicht von jedem einzelnen Gefühl. Aber das war es auch nicht. Es war auch nicht ACIM, oder "der Erleuchtung ist es egal wie man sie erlangt" und auch nicht Subash "sei still". Ich kann noch mehr aufzählen, was ich innerhalb der letzten zwei Jahre gelesen habe oder getan habe. Im Arbeitsbuch zu Celestine gibt es eine Übung, mit der ich meine Zeitspur verfolgen konnte. Vierzig Seiten habe ich geschrieben. Zum erstenmal verwundert auf das Muster geblickt, daß sich bis dahin durch mein Leben zog. Da kam mir zum erstenmal der Gedanke: "Das habe ja alles ich so entschieden. Hätte ich zu dem und dem Zeitpunkt eine andere Wahl getroffen, dann wäre die Zeitspur anders verlaufen."

Als ich auf Bücher traf, in denen ich das erste Mal etwas über Realitätsgestaltung las, war ich fasziniert. Mit Rene Egli (Lola Prinzip) begann es. Über Bärbel Mohr kam ich zu "Mary" von Bodo Deletz, zu einem Ella Seminar, und dann zu "Gespräche mit Gott" von N.D. Walsh. Alles bezog sich auf die eigene Realitätsgestaltung. Doch was ist das, "Realitätsgestaltung"? Ein weiteres Schlagwort, um den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen? Oder ist mehr dahinter?

Ich begann, mich mit dem "mehr dahinter" zu beschäftigen. Es war, als würde jemand einen Vorhang aufziehen: Ich kann niemanden verantwortlich machen für meine eigenen Gefühle. Es ist keiner, außer ich selbst, für meine Gefühle verantwortlich zu machen. Ich bin verantwortlich dafür, wie ich mit einer Situation umgehe. Wenn mir jemand etwas "Böses" tut, kann ich mich ärgern oder ihm ein ehrliches "Friede sei mit dir" schicken. Ich kann ihm auch vergeben, wenn ich angeklagt werde, gar schröckliche Dinge zu tun. Wen klagt derjenige an? Mich oder mich als Spiegel für Dinge, die er selbst schon getan hat oder denkt zu tun? Ein Mensch kann nur von einem anderen Menschen etwas annehmen, wenn er diese Gedanken selbst schon gedacht hat oder Gedanken von anderen als "wahr" angenommen hat. Ich kann es jedoch nicht wissen. Ich kann nicht wissen, was ein anderer Mensch denkt. Ich kann nur wissen, was mich selbst und meine Gefühle betrifft. Ich habe "Böses" mit Absicht in Anführungszeichen gesetzt. Gut oder böse, schön oder hässlich, falsch oder richtig. Das ist doch nur meine eigene Sichtweise in dieser Welt der Dualität. Da es meine Sichtweise ist, habe ich auch die Wahl, wie ich eine Angelegenheit be-werte, be-urteile. Und hier beginnt die eigene Gestaltung, hier beginnt die Verantwortung für das, was geschieht.

Wenn ich werten und ver-urteilen weglasse und darauf vertraue, daß "alles richtig ist, wie es ist, weil es mir passiert ist--auch wenn sich der Sinn für mich (noch) nicht erschließt", dann fühle ich eine innere Gelassenheit und hadere nicht mehr stundenlang in meinem Kopf mit Menschen oder eine Situation. "Richtig", ist dabei keine Bewertung für mich. Richtig heißt für mich: Eine Situation wäre nicht in mein Leben getreten, wenn sie nicht wichtig für mich wäre - was natürlich doch eine Bewertung ist *tststs*. Doch wie sagte ein lieber Freund: "Nicht bewerten zu wollen, ist, wie nicht denken zu wollen". Was ich eigentlich sagen will: Ich lenke meine Aufmerksamkeit darauf, wie ich mit dem, was in mein Leben getreten ist, umgehen will - nicht wie ich damit umgehen sollte, sondern wie ich mich entscheide, damit umzugehen. Nun habe ich einen großen Kreis geschlagen, zurück zum Anfang.

Inzwischen habe ich diesen Satz modifiziert. Ich nehme diese Kräfte, die aus dem Vertrauen wachsen, nicht nur wahr. Ich beobachte nicht nur, ich handle, ich nehme sie an. Ich  übernehme die Verantwortung für mich selbst, meine Entscheidungen, meine Bewertungen, meinem Umgang mit allem-was-ist. In einem Gedicht schrieb ich: "Allem, was mir je begegnet, messe ich Bedeutung bei. Meine eigene Bewertung kippt den Schlater "Unfrei - Frei". Ich begann "ich" zu lieben, als ich begann, mir selbst - und damit auch meiner Intuition - zu vertrauen.

Eine meiner Reiki-Schülerinnen erzählte mir einen Traum, den sie in der Nacht nach ihrer Einweihung hatte:

"Ich saß mit meinen beiden Kindern auf einem Pferd und ritt durch die Gegend. Ich weiß gar nicht, weshalb ich auf einem Pferd saß - ich kann gar nicht reiten. Trotzdem saßen wir auf diesem Pferd. Anfangs hatte es noch einen Sattel und Zaumzeug. Wir ritten durch schöne Landschaften, dann durch Städte mit schmalen Gassen und Hindernissen, um die das Pferd uns sicher führte. Manchmal mußte ich absteigen, wenn die Hindernisse zu groß waren. Ich räumte sie weg und wir ritten weiter. Irgendwann setzte mich etwas nach hinten, um den Rücken des Pferdes zu entlasten, da die beiden Kinder ja vor mir saßen. Dabei bemerkte ich, dass das Pferd keinen Sattel und kein Zaumzeug mehr trug. Doch es tat alles, was wir wollten, es trug uns überall dort hin, wo wir wollten. Wir fühlten uns sicher - es vertraute uns und wir vertrauten ihm."

Das Pferd hieß "Vertrauen".

Ich wünsche euch Freude auf eurem Weg,

Rosemarie