Lies die Zeichen

"Ich setzte mich zu dem alten Mann, der mit seinem Stock auf das Wasser zeigte.
"Verstehst du das, Alter, weshalb dieses Boot versucht, flußaufwärts zu fahren? Sieh doch, wie hoch beladen es ist. Das ist doch viel zu anstrengend!"

Er ging an den Rand des Flusses und rief dem Ruderer zu:
"Heee, Du da, in dem Boot! Weshalb ruderst du den Fluß aufwärts?"
"Ich will ins nächste Dorf, meine Waren verkaufen! Du siehst doch meine Last!"
"JA, aber weshalb flußaufwärts?"
"Aber da ist doch das nächste Dorf, das ist mein Ziel!"

Kopfschüttelnd rief der Alte zurück:
"Dein Ziel ist, die Waren zu verkaufen. Wende dein Boot und fahr mit dem Strom. Das Wasser wird dir helfen. Dort gibt es auch Dörfer!"

"Manchmal lohnt es die Mühe gegen den Strom zu "gehen", denn heute versinkt zu viel im Strom der Masse und Uniformiertheit. Wo bleiben da noch Ziele, Visionen und Vorbilder?" meinte ein Freund, dem ich diese kleine Geschichte erzählte.

"Nehmen wir an, es ist dein Ziel, deine Vision, auf der Bergspitze einen riesigen Stein zu plazieren. Du kennst die Geschichte, die ich für meine Zwecke abwandle. Mit großer Ausdauer rollst du immer wieder und immer wieder diesen Stein den Berg hinauf. Dies macht dich zu einem Vorbild für Ausdauer--und Hoffnungslosigkeit. Irgendwann einmal sagt dir jemand: "Du erreichst dein Ziel und deine Vision nie!" Dann blickst Du über den Tellerrand des Raufrollens und sagst: "Ahhhh, das ist es. Ich mache einen Verein auf. Den Verein des Steines auf der Bergspitze."

Der Verein ist gegründet und....nein...das natürlich wäre auch eine Lösung. Ihr könntet jetzt mit vereinten Kräften den Stein hinaufrollen. Aber du hast eine Idee, die dich schnell zum Ziel führt. Durch die Mitgliedsbeiträge hast du das Geld, einen Heilikopter anzuheuern, der den Stein heil und sicher auf der Bergspitzeabsetzt. Nun bist DU ein Vorbild. Du bist neue Wege gegangen, um das Ziel zu erreichen."

"Du meinst also, ich habe das Boot gewendet und rudere nicht mehr gegen den Strom. Ich habe einen anderen Weg gefunden, mein wahres Ziel zu erreichen, den Stein auf dem Bergspitze, um bei deinen Worten zu bleiben. Ich verstehe jetzt, was du meinst. Du willst damit sagen, daß wir häufig auf eine Lösung starren und nicht auf das Ziel", fragte mein Freund.

"Wenn etwas als "schier unlösbar" erscheint, dann frage ich mich "rudere ich flußaufwärts?" "Take a reading", sagte mir ein Huna in Hawaii, was so viel heißt wie "Lies die Zeichen!".

Natürlich kommst du irgendwann an dein Ziel, auch wenn du laufend Knüppel zwischen die Beine bekommst (falls du nicht vorher aufgibst). Wenn du dich lieber mächtig anstrengen willst, dann ist das vollkommen in Ordnung. Oder wenn du "hart arbeiten mußt, um Erfolg zu haben". Du kannst dich aber auch nach Dörfern umschauen, die flußabwärts liegen und dir vom Wasser helfen lassen, den Erfolg mit Leichtigkeit zu erreichen."

(c) Rosemarie Wiedmann