Die Wahl des Spiels

Ich erwachte in meinem Schlaf auf einer saftigen, grünen Wiese. Wie war ich dort hingekommen, hatte ich doch Schutz unter dem Baum gefunden?
In der Ferne sah ich viele Menschen, mit weißen Umhängen bekleidet, die in Herzlichkeit und Heiterkeit miteinander sprachen. In diesem Moment bemerkte ich einen von ihnen neben mir.
„Was möchtest du hier, bei uns?“
„Ich möchte lernen!“
Welch seltsame Antwort von mir. Weshalb möchte ich lernen? Und doch hatte ich diesen Satz gesprochen.
„Dann lerne zu spielen!“
Was ist mit mir? Weshalb soll ich das Spielen lernen, bin ich doch kein Kind mehr.
„Sieh, was du alles mitgebracht hast“, fuhr der Fremde fort.

Ich blickte um mich und sah in der Tat einen dicken Sack um den anderen. Ich schaute den Fremden verwirrt an.
„Herr, dies können nicht meine Säcke sein. Ich bin ein Bettler. Ich habe keinen Besitz.“
Er legte seine Hand auf meine Schulter.
„Das, mein Freund, hast du bislang alles gelebt. Schau es dir in Ruhe an.“
Der Fremde öffnete einen Sack um den anderen und ich sah das bislang Gelebte an mir vorbeiziehen. Gerne hätte ich den einen oder den anderen Sack wieder verschlossen. Ich mochte nicht, was ich erblickte. Schwer habe ich es mir gemacht. Schwer im Umgang mit meinen Mitmenschen, mit meinen Gefühlen, mit meinen Gedanken. Mein Blick ging in die Ferne zu den Fremden, die eine solche Heiterkeit ausstrahlten.
Wo habe ich solch ein Gefühl erfahren? Ja, damals, als ich in den Feldern lag. Als ich mich eins fühlte mit der Sonne, den Feldern, dem Lavendel oder den Ameisen. Damals war ich glücklich. Damals war ich heiter. Was hat mich so weit von mir selbst entfernt?
„Das ist deine Wahl, mein Freund. Du willst das erleben, was du heute erlebst. Du willst einer der Geringsten sein. Ungeliebt, klein, schmutzig, allein, schuldig, hilflos, krank. Ohnmacht zu erleben, das hast du gewählt. Du hast dein Ziel erreicht. Weshalb kommst du nun zu uns?“
„Um zu lernen!“ Schon wieder diese Antwort.

„Aber was denn? Weißt du denn, was du lernen möchtest? Du kannst alles. Wenn du unbedingt etwas lernen möchtest, dann lerne zu spielen! Aber auch das kannst du. Wähle aus, was du spielen möchtest. Den Bettler? Den Weisen? Den Reichen? Den Liebhaber? Den armen Reichen, den weisen Liebhaber, den liebenden Weisen, den reichen Bettler? Es ist dein Spiel. Triff die Wahl. Oder verabschiede dich endgültig und ruhe dich ein wenig bei uns aus.“
„Ausruhen wäre schön. Aber ich möchte noch etwas erledigen. Kann ich noch das Spielen lernen?“
Ich hörte ein heiteres Lachen.
„Jeder, mein Freund, jeder kann das Spielen lernen. Finde dein Herz, Bruder!“

Ich fühlte, wie mir feuchte Tücher um meine Beine gelegt wurden.
„Er hat wirre Träume. Ich weiß nicht, ob wir ihn noch retten können. Halte ihn fest, Mann, ich flöße ihm ein paar Tropfen von der Kräuteressenz ein.“
„Finde... dein Herz... finde... dein Herz... finde... dein Herz“, schlug mein Herz, eins mit den Worten des Fremden.
„Er wird ruhiger, schläft tiefer. Lass das Feuer an. Er braucht Wärme, das Fieber schüttelt ihn. Die Essenz scheint zu wirken. Wir lassen ihn jetzt besser schlafen.“

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