ie vier Glücksschweinchen

Wolf und ich erwachten durch den Geruch von gebratenem Speck und Eiern. Im Kamin brannte ein munteres Feuerchen, das unser Wirt der letzten Winternacht wohl während unseres tiefen Schlafes entzündet hatte.

„Geschichtenerzähler“, fragte er mich, „sag, hast du auch eine Geschichte, die ich meinen Kindeskindern erzählen kann?“
Und so erfand ich für ihn die Geschichte der vier Schweinchen, die kurz vor der Jahreswende beschlossen, für die Menschen Glücksschweinchen zu werden.

„Einst begab es sich, dass eine Muttersau und ihre drei Kinder entschieden, dass Sie den Menschen Glück bringen wollten“, begann ich meine Geschichte.
„Sie hatten sich das sehr einfach vorgestellt, naiv einfach.
Sie watschelten los, was auf Marzipan Beinchen gar nicht so einfach ist. Vor allem hatte es auch noch begonnen zu schneien.
„Autsch“,  rief das Kleinste aus, als ihm ein Krümelchen Marzipan durch Vereisung abfiel.
„Du hättest eben auf mich hören sollen“, schalt die Mama Sau, die vorsorglich ihr Hinterteil in Schokolade gehüllt hatte.
„Ich sagte dir doch, du sollst dir die Schokoladenstiefelchen anziehen. Aber nein, ihr wisst es ja immer besser. Ja ja. Dann werdet halt aus Schaden klug. Aber nein, das kann ich dann doch nicht zulassen. Kommt mit, Kinder!“

Die Muttersau wusste Rat, so wie alle Mütter auf dieser Welt.

„Wir gehen zum Zwerg Fliepi, dort lasst ihr euch die Schokoladenstiefelchen anziehen“, grunzte sie ihre Kinder an, wackelte mit dem Schokoladenschwänzchen und zog los. Ich erspare euch die Geschichte, wie mühsam es für die drei kleinen war, einigermaßen unbeschadet vor dem Zwergenhaus anzukommen. Glaubt mir, sie hatten manchen Schrecken zu überstehen!
Als sie an Fliepies Haus ankamen, packte die Muttersau ein mächtiges Entsetzen. So klein hatte sie seine Behausung nicht in ihrer Erinnerung gehabt. (Aber damals, als sie Fliepi kennenlernte, war sie selbst ja so klein wie ein Fingerhut. Und als Kind erscheint immer alles größer, als es in der Welt der Erwachsenen ist.)
„Gütiger Eber“, jammerte sie. „Gütiger Eber steh uns bei!“
Das Häuschen war so klein, dass nicht einmal ein Bein der Ferkelchen durch die Tür passte, an zwei Beine gleichzeitig war ÜBERHAUPT nicht zu denken!
Der gütige Eber, Beschützer aller Marzipanschweine, hatte Einsicht.

Fliepi öffnete seine Tür und fand sich Bergen aus rosa Marzipan gegenüber. Sein Mund klappte in fassungslosem Staunen nach unten.
„Was wollt ihr denn hier? Passt auf, damit ihr nicht auf mein Haus tretet in eurer Ungeschicklichkeit. Nein, nein, nicht im Laub graben. Du bist doch nicht hier zum Morcheln suchen? Oder willst du etwa eine Wildsau werden?“
„Fliepi“, hob die Muttersau an, „Fliepi, kannst du meinen Kindern Schokoladenstiefelchen machen? Wir sind auf dem Weg zu den Menschen, wir wollen Glücksschweine werden!“
„Ach du bist es Minchen—bei meinen weißen Punkten, bist du aber groß geworden! Das sind wohl deine Kinder? Prächtig, prächtig. Das hätte ich dir nie zugetraut!“
„Was ist, kannst du ihnen Schokoladenstiefelchen anziehen, damit wir bis zu den Menschen kommen?“
„Nein, Minchen, das kann ich nicht. Ich könnte zwar den Becher Dunkelschokolade schmelzen, den ich in meiner Küche habe—aber das reicht nicht mal für das, was die Menschen „Jesusschlappen“ nennen.“
Er kratzte nachdenklich seinen Kopf und strich mit der anderen Hand seinen Bart. (So denken Zwerge nach.)

„Ich weiß es, ich weiß es. Ah, was bin ich doch für ein toller Zwerg. Ich weiß es, ich weiß es ...“
Aufgeregt hüpfte er vor Minchen auf und nieder, ohne ihr zu sagen, was er wusste. Und dann verschwand er zu allem Überfluss noch in seinem Häuschen. Minchen und ihre Kinder hörten Geräusche als hätte Fliepi sich entschlossen, genau in diesem Moment sein Häuschen umzubauen.
Rummmms—da schien etwas umgefallen zu sein. Dann das Geräusch einer Zwergenzaubersäge, eines Bohrers, Hämmern, Klopfen—alles begleitet von dem fröhlichen Gesang des Zwergleins.
Da! Gerade schoss er aus seiner Tür, um in einem Laubhaufen zu verschwinden. Es raschelte heftig und er tauchte wieder auf mit einem Kleeblatt, das er gebückt auf der Schulter trug.
„Meine Notreserve“, rief er Minchen zu und verschwand wieder im Haus. Kurz darauf kam er zurück mit einem Fliegenpilz aus Holz und einem Kleeblatt.
„Ich muss es hier draußen zusammenfügen, sonst komme ich nicht mehr durch die Tür“, meinte er zu Minchen, die nun gar nichts mehr verstand. Er drehte sich zum Haus, steckte beide Zeigefinger unter den Bart und pfiff dreimal recht schrill.
„Fibo, komm! Ich brauche dich“, worauf eine Schnecke mit einem wunderbar spiralförmigen Häuschen langsam auf ihn zuglitt.
„Komm komm, beeile dich. Ich muss den Zauber noch vor Sonnenuntergang aussprechen. Sonst wirkt er nicht.“
Unbeeindruckt setze Fibo graziös seinen Weg fort.

„Fliepi, was machst du eigentlich“, wollte Minchen wissen.
„Keine Zeit, keine Zeit. Warte einfach ab. Es wird alles gut.“
„Es wird alles gut“, ja, das hatte auch ihre Großmutter schon immer gesagt. „Minchen, keine Angst. Es wird alles gut.“

Fliepi schaute Richtung der untergehenden Sonne.
„Setzt euch alle im Halbkreis hin. Hinten Minchen, ihr Kinder, eines rechts, das andere links, das dritte in die Mitte.“
Fliepi genoss es, diese gewaltigen Marzipan Massen zu dirigieren. Es gab ihm ein Gefühl großer Wichtigkeit. „Nein, nicht so, noch ein bisschen mehr nach links, und du da, setz dich GENAU in die Mitte, vor deine Mutter! Und nun: Ruhe bitte. Absolute Ruhe!“
Er schloss seine Augen, holte tief Luft, ließ diese mit einem zischenden Geräusch wieder entweichen. Er hob beschwörend die Arme und begann:

„Fibo Fibo mein,
kriech zu diesem Schwein.
Nimm als meine Gabe
diesen Zauber mit.

Dieser Pilz der Rote,
dieses Blatt so grün,
sollen sein der Bote
unsrer Schutzgöttün,
der ich hab empfohlen
Schwein und Fliegenpilz.“

(Die kleinen Schweinchen konnten mit Mühe ein Kichern unterdrücken.)

Er senkte die Arme, nahm das Kleeblatt, steckte es Minchen in die Schnauze, ließ Fibo darüber kriechen und klebte auf Fibos Spur den Fliegenpilz. Minchen war so verblüfft, dass sie alles mit sich geschehen ließ. Er hob wieder die Arme und fuhr fort in seiner Beschwörung:

„Unser grünes Kleeblatt
mit den Blättern vier
ist das göttlich Zeichen
Glück für Mensch und Tier.
Lass nun diese Schweinchen
wohl behütet gehn,
damit sie bei den Menschen
stets das Glück anziehn.

Wohl behütet seid ihr,
Menschenkinder hört,
wenn der Jahreswechsel
Glücksschweinchen beschert!“

Minchen dankte dem Zwerg überschwenglich. Sie zog los und klopfte an die erste Tür, die sie mit ihren Kindern erreichte.
Das war zufällig bei mir. Ganz rote Öhrchen hatten Minchen und ihre Kinder. Und die Schnauze, in der sie den Zauber hält, ist auch rot vor Kälte geworden.
Ich gab ihnen das Versprechen, sie ein Jahr lang ganz bestimmt nicht aufzuessen, auch wenn mich der Hunger nach Süßem überkommen sollte. Wenn es also an eure Tür klopfen sollte am Tage des Jahreswechsels, dann könnte es Minchen sein“, beendete ich schmunzelnd das Märchen.

„Schutzgöttün—köstlich“, rief unser Gastgeber aus. „Ja, das wird den Kindern gefallen! Hast du noch eine Geschichte? Vielleicht eine über den heiligen Niklas“, fragte er mit glänzenden Augen.
„Ich habe eine Geschichte—die hat jedoch mehr mit dem richtigen Wünschen zu tun, auch wenn sie ein Märchen ist. Ich weiß nicht, ob deine Kindeskinder sie verstehen.“
„Das macht nichts, vielleicht verstehe ich sie ja“, freute er sich.
Er begann mich an den Köhler zu erinnern und ich fragte mich, ob ich vielleicht den Winter in diesem Haus verbringen könnte. „Ach was! Wenn es so sein soll, dann geschieht es“, gab ich mir die Antwort.